Von Roland Berli

Die Konkursreiterei mit anschliessender Unternehmensbestattung ist in der Schweiz ein weitverbreitetes Ärgernis und führt jährlich zu Millionenschäden bei staatlichen Institutionen und privaten Gläubiger*innen. Mit der Motion Hess aus dem Jahre 2011 wurde der Bundesrat beauftragt, dem Parlament griffige Werkzeuge im Kampf gegen den missbräuchlichen Konkurs vorzulegen. Der erste bundesrätliche Entwurf im Jahre 2015 über schuldbetreibungs- und konkursrechtliche Massnahmen stiess in der Vernehmlassung sowohl in den Kantonen, bei Parteien und den konsultierten Organisationen auf wenig Begeisterung. Die vorgeschlagenen Anpassungen wurden kontrovers diskutiert und teils als untauglich empfunden. Aufgrund der breiten Kritik im Vernehmlassungsverfahren hat sich der Bundesrat zu einer Neuausrichtung entschieden und verzichtete auf verschiedene Vorschläge aus dem Vorentwurf, nahm stattdessen eine ganze Reihe neuer Massnahmen in die revidierte Vorlage vom 26. Juni 2019 auf.

Es dauerte über 10 Jahre, bis das schweizerische Parlament ein Massnahmenpaket zur Bekämpfung von missbräuchlichem Konkurs verabschiedete. Nebst flankierenden aktienrechtlichen Massnahmen in den letzten Jahren beschloss das Parlament in seinen Abschlussdebatten vom 18. März 2022 folgende gesetzliche Anpassungen:

 

  1. Die Durchsetzung des Tätigkeitsverbotes für verurteilte Straftäter*innen im Zusammenhang mit Konkursdelikten soll verbessert werden, indem eine flächendeckende Anzeigepflicht für Konkursämter bei Verdachtsmomenten zu missbräuchlichem Konkurs eingeführt wird. Personen mit einem gerichtlich verfügten Tätigkeitsverbot müssen im Handelsregister für die Dauer des verhängten Verbotes durch die Handelsregisterämter gelöscht werden.
  2. Die Datenbank über die Rechtseinheiten (Zefix) wird neu mit der Personendatenbank verknüpft. Eintragungspflichtige Funktionen und geschäftliche Verflechtungen von Personen in verschiedenen Rechtseinheiten werden damit öffentlich transparent gemacht. So ist es nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden einfacher, Verflechtungen von kriminellen Personen nachzuverfolgen, sondern auch Private können sich ein Bild von potenziellen Geschäftspartnern bereits im Vorfeld einer möglichen Geschäftsbeziehung machen. Sie sind gewarnt, wenn über Personen Tätigkeitsverbote verfügt wurden oder wiederholt im Zusammenhang mit konkursiten Rechtseinheiten auffallen (Unternehmensbestatter*innen).
  3. Der Mantelhandel für überschuldete Gesellschaften, die über keine Geschäftstätigkeit und keine verwertbaren Aktiven mehr verfügen, wird neu kodifiziert und ist somit künftig auf Gesetzesstufe verboten. Das bisher auf bundesgerichtlicher Rechtsprechung basierende Verbot findet damit Einzug ins Obligationenrecht. Die Handelsregisterbehörden prüfen bei Verdachtsmomenten die einverlangten Bilanzen und verweigern Eintragungen bei unerlaubtem Mantelhandel. Es stellt sich in der Praxis die Frage, inwiefern die Handelsregisterämter mit ihren bestehenden Ressourcen in der Lage sein werden, einverlangte Bilanzen auch tiefgreifend zu prüfen, wenn Verdacht auf missbräuchlichen Mantelhandel besteht.
  4. Das rückwirkende Opting-out von revisionspflichtigen Rechtseinheiten wird abgeschafft, falls die Voraussetzungen für ein Opting-out im vergangenen oder laufenden Geschäftsjahr gegeben wären. Ein Verzicht auf die eingeschränkte Revision ist nur noch für künftige Geschäftsjahre möglich. Dieser neuen Gesetzesbestimmung wird von den Befragten die geringste Bedeutung im Kampf gegen missbräuchlichen Konkurs zugebilligt.
  5. Öffentlich-rechtliche Gläubiger*innen müssen ihre Forderungen neu mit Konkursbetreibung geltend machen. Die Betreibung auf Pfändung für staatliche Verbindlichkeiten wird im Gesetz aufgehoben. Damit ist es für den Staat nicht mehr möglich, für seine Forderungen «nur» auf Pfändung zu betreiben, sondern es droht den säumigen Schuldnern künftig auch von staatlicher Seite eine Generalexekution im Inkassofall. Private mussten schon zuvor die Betreibungen auf Konkurs fortsetzen. Damit erhalten private Gläubiger*innen beim Eintreiben ihrer Forderungen gleich lange Spiesse wie öffentliche-rechtliche.

In der vorliegenden Arbeit wurde das bundesrätliche Massnahmenpaket zur Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses sowohl aus der Theorie wie auch empirisch untersucht. Im theoretischen Teil wurde die bisherige Gesetzgebung der neuen gegenübergestellt, die Änderungen kommentiert sowie auf mögliche Auswirkungen in der Praxis überprüft. Für den empirischen Teil wurden drei im Alltag involvierte Berufsgruppen aus Polizei, Staatsanwaltschaften und Konkursämtern befragt, was vom inzwischen verabschiedeten Massnahmenpaket zu halten ist und wie sich dieses in der Strafverfolgungspraxis auswirken dürfte. Unterschiede in den Antworten zu gewissen Strafverfolgungsansätzen ergaben sich insbesondere zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Notariaten, namentlich beim verbotenen Mantelhandel. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass Notariate im Gegensatz zu den Strafverfolgungsbehörden nicht nur mit zumeist straffälliger «Klientschaft» zu tun haben, sondern auch mit redlichen Unternehmer*innen. Der Mantelhantel von seriösen Inhaber*innen kommt aus Sicht der befragten Notare bei rechtsgeschäftlichen Nachfolgeregelungen nicht aus wirtschaftskriminellen Motiven zustande, sondern weil sie ihre Selbstständigkeit aufgegeben haben und ihr Lebenswerk an Nachfolgende übertragen wollen.

Mit den beschlossenen Massnahmen wurden gute Ansätze in der Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses auf den Weg gebracht. Die Untersuchung zeigte aber auch Schwächen auf, nämlich dass die in den parlamentarischen Debatten abgemilderten Werkzeuge im Kampf gegen die Konkursreiterei aus Sicht der Strafverfolgung nicht die erhofften Wirkungen mit sich bringen dürften. Die eidgenössischen Räte liessen sich vom Gedanken leiten, redlich wirtschaftende Unternehmen nicht unter Generalverdacht stellen zu wollen und zogen griffigeren gesetzlichen Korrekturen in gewisser Weise den Zahn.

Als stärkstes Mittel im Kampf gegen kriminelle Machenschaften von Unternehmensbestatter*innen dürfte sich die Eintragungsverweigerung der Handelsregisterbehörden beim mutmasslich missbräuchlichen Mantelhandel etablieren. Damit kann aufkeimende Konkursreiterei schon bei ihrer Entstehung erkannt und bekämpft werden (vergl. Ziff. 3). Der Bundesrat favorisierte in seinem Massnahmenpaket als Kernelement im Kampf gegen Konkursreiterei zwar die verbesserte Durchsetzung des Tätigkeitsverbotes für Straftaten im Zusammenhang mit Konkursdelikten. Dieses Vorhaben dürfte jedoch am Umstand scheitern, dass nur Gerichte Tätigkeitsverbote aussprechen können und die Staatsanwaltschaften dafür Anklage erheben müssten. Die meisten Straftaten werden aber im Strafbefehlsverfahren erledigt, was die Verhängung von Tätigkeitsverboten nach geltendem Recht ausschliesst.

Professionelle Firmenbestatter*innen betreiben die organisierte Konkursreiterei aus dem Hintergrund und schieben Strohleute als Endorgane vor. Um diese Endorgane – vor allem aber auch deren Vermittler*innen und Hinterleute – strafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu können, wurde nebst den vom Parlament beschlossenen Verschärfungen ein alternativer Strafverfolgungsansatz nach Art. 253 StGB (Erschleichen einer Falschbeurkundung) untersucht.

Es gibt bisher noch keine Kasuistik zum neuen Anklagevorgehen der Zürcher Staatsanwaltschaft III für Wirtschaftsdelikte, die unter der Leitung von Chefankläger Dr. iur. Marc Jean-Richard-dit-Bressel initiiert worden ist.

Aus diesem Grund wird der staatsanwaltliche Strafverfolgungsansatz vom Autor in seiner Dissertation an der Middlesex University London zum Thema «Konkursreiterei mit Unternehmensbestattung als lukratives Geschäftsmodell für Wirtschaftskriminelle in der Schweiz» weitergehend untersucht werden.

Die ersten Gerichtsverfahren werden zeigen, ob dieser Ansatz von den Staatsanwaltschaften weiterverfolgt werden kann oder ob es misslingt, die kriminellen Strippenzieher im Hintergrund über diesen Weg strafrechtlich aus dem Verkehr zu ziehen.

Die abschliessende Reflexion der Arbeit hat gezeigt, dass die parlamentarischen Bemühungen im Kampf gegen missbräuchlichen Konkurs einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben. Das Phänomen des missbräuchlichen Konkurses lässt sich damit wohl (noch) nicht verhindern. Es dürfte weitere Massnahmen erfordern, um Konkursreiterei mit Unternehmensbestattung in der Schweiz nachhaltig einzudämmen. Vor diesem Hintergrund scheint im Kampf gegen stetig zunehmende Wirtschaftskriminalität immer wichtiger zu werden, die Ausbildung von Fachkräften auch ausserhalb der staatlichen Strafverfolgung zu fördern, um kriminelle Machenschaften Dritter schon bei ihrer Entstehung zu bekämpfen. Mit der Weiterbildung zum MAS in Economic Crime Investigation an der Hochschule Luzern wird ein wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen. Denn in tägliche Wirtschaftsprozesse involvierte Berufsgruppen verschiedenster Branchen können durch flächendeckendere Sensibilisierung effizienter mithelfen als repressive Strafverfolgung, wirtschaftskriminelle Vorgänge frühzeitig zu erkennen und im Keim zu ersticken. Ist eine Rechtseinheit (organisiert) in Konkurs gebracht worden, ist der Schaden für alle Gläubiger*innen bereits eingetreten.

Roland Berli

Roland Berli blickt auf eine über 18-jährige Ermittlungstätigkeit bei der Kantonspolizei Zürich zurück. Ab 2001 machte er sich selbständig und leitet in seiner Treuhandgesellschaft den Fachbereich RECHT. Nebst einer Polizei- und Treuhänderausbildung verfügt er über ein juristisches Grundstudium, zwei Executive MBA in Wirtschaftsrecht und Unternehmensnachfolge sowie einen MAS in Economic Crime Investigation. Derzeit absolviert er einen MAS / LL.M. in Swiss and International Taxation und verfasst eine Dissertation zum Thema «Konkursreiterei» an der Middlesex University London.